Die Heen (Herren) von Jois

und wie es zur Aufteilung der Zitzmannsdorfer Wiese kam

Eine Sage aus dem Buch „Hexen, Tod und Teufel“ Dr. Franz Hillinger, Jois, 2015
Die Märkte Jois und Neusiedl am See gehörten seit Menschengedenken zur Herrschaft Ungarisch-Altenburg. Sie teilten miteinander Freud und Leid. Im gleichen Atemzug werden immer beide Gemeinden zusammen genannt. Das war bei Verpfändungsurkunden genauso wie bei anderen Schriftstücken. Beide Märkte waren durch den Weinbau gleichermaßen geprägt. Neusiedl am See war allerdings die größere und bedeutendere Gemeinde. Sie war immer schon wirtschaftlich und verwaltungsmäßig ein Mittelpunkt der umliegenden Gemeinden. In Neusiedl gab es ein Dreißigamt und viele Handwerker und zudem eine größere Anzahl von Freihöfen und Kleinadeligen. Da beide Gemeinden zur selben Herrschaft gehörten, gab es zwischen ihnen kaum Grenzstreitigkeiten, indem die Herrschaftsverwaltung anstehende Probleme intern löste. Im Fall der überlieferten Legende bezüglich der Zuteilung der Zitzmannsdorfer Wiese trug sich jedoch folgende amüsante Begebenheit mit schwerwiegenden Folgen zu.

Eine Chance nutzen
Der Überlieferung nach ließ Königin Maria die Abordnungen der beiden Gemeinden von Jois und Neusiedl zu sich rufen. Als die Joiser zur Königin vorgelassen wurden, stellten sie sich in korrekter Weise, wenn auch nicht ganz ohne örtlichen Stolz folgendermaßen vor: „Wir sind die Heen (Herren) von Jois“. Die schlauen Neusiedler erkannten nunmehr ihre Chance, um bei der Königin Mitleid zu erwecken. Als sie an der Reihe waren, stellten sie sich daher mit den Worten vor: „Und wir sind die armen Neusiedler“. Auch wenn dies doch ein wenig einer Lüge gleichkam, so erreichten sie damit das besondere Bedauern und Mitgefühl der edlen Königin, die ihnen nunmehr erwiderte: „Wenn das der Fall ist, dann müssen wir den armen Neusiedlern die Wiese geben“. Auf diese Weise war es den Neusiedlern gelungen, in den Besitz der Zitzmannsdorfer Wiese zu gelangen.

Überhaupt verstanden es die Ratsherren von Neusiedl am See, wiederholt Vorteile für ihre Gemeinde herauszuholen. Wenn sie bei vorgesetzten Herrschaftsbeamten oder bei Behörden etwas erreichen wollten, waren sie mit Geldspenden nicht kleinlich. Heute würde man dies wohl eher als Bestechung oder Korruption bezeichnen, damals nannte man es „Verehrgeld“. Dieses Verehrgeld wurde auch offiziell in den Kassabüchern vermerkt. 

Hintergründiges
Diese Geschichte hat tatsächlich einen historischen Kern. Diese Wiesen waren ursprünglich ein Teil der Ortschaft Zitzmannsdorf. Das Dorf, das im Besitz der Herrschaft Ungarisch-Altenburg war, wurde wahrscheinlich im Zuge der Türkenkriege um 1530 zerstört und seit damals nie mehr besiedelt. Im Norden grenzen diese Wiesen an das Gemeindegebiet von Weiden, im Osten an Gols, im Süden an den Hotter von Podersdorf und im Westen an den Neusiedler See. Keine dieser Gemeinden gehörte zur Herrschaft Ungarisch-Altenburg. Um diese Gründe wirtschaftlich zu nutzen, wurden die Zitzmannsdorfer Wiesen vermutlich durch die Königin Maria, der damaligen Inhaberin der Herrschaft, der Gemeinde Neusiedl am See zugesprochen, d.h. der nächstgelegenen Gemeinde, die zum selben Herrschaftsbereich gehörte.

Im Zusammenhang mit dieser Geschichte muss man auch das Schicksal einer anderen untergegangenen Ortschaft sehen, nämlich der uralten Siedlung „Hanftal“. Im Unterschied zu den Zitzmannsdorfer Wiesen, die zur Gemeinde Neusiedl am See gehören, wurde das Hanftal in die Katastralgemeinde Jois eingehottert (zur Geschichte des Hanftals siehe ausführlich Station Nr. 86.

Zitzmanndsdorfer Wiese oder Neusiedler Wald?
Insbesondere in Jois hält sich ganz hartnäckig das Gerücht, dass es bei der Zuteilung gar nicht um die Zitzmannsdorfer Wiese, sondern vielmehr um den Neusiedler Wald gegangen wäre. Belegbar sind allerdings beide Geschichten nicht.

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