Mariensäule am Hauptplatz

Trösterin der Betrübten

Ursprünglicher Standort der Säule
Die etwa 5,80 m hohe Mariensäule (samt hohem Sockel auf breitem Postament; der Säulenschaft misst 3 m Höhe) erhebt sich seit 1961 am oberen Ende des Hauptplatzes von Jois. Ursprünglich stand sie etwa 55 m weiter Richtung See im Bereich des heutigen Springbrunnens (Station 49 – Verlinkung). Noch 1957 befand sich daneben die Brückenwaage mit dem dazugehörenden Häuschen. Das Wasserreservoir existiert heute noch. Historische Fotos zeigen, dass damals zumindest noch einige der ursprünglich vier Steindocken vorhanden waren.

Barocker Pfeiler
Obwohl in Jois gemeinhin von der „Mariensäule“ gesprochen wird, handelt es sich nicht im klassischen Sinn um eine Säule, sondern streng genommen um einen Rundpfeiler. Dieser besitzt – im Unterschied zu einer „Säule“ – keine Schwellung des Schaftes. Dieser Pfeiler sitzt auf einer profilierten Basis auf und wird von einem Kompositkapitell bekrönt. Die Form dieses Kapitells mit einem ausschwingenden Volutenkranz mit Puttenköpfen ist charakteristisch für die Zeit um 1700. 

Vergleichbare (= ähnliche, d.h. nicht idente) Kapitelle finden sich etwa bei der Pietà in Münchendorf (1709, hier ohne Puttenköpfe), der Maria Immaculata-Statue in Herzogenburg (1710) oder der Dreifaltigkeitssäule/Pestsäule in Mattersburg (1714). 

Ebenso ist das Zierelement am Postament – eine Kartusche mit zwei nach innen eingerollten Voluten – als barockes Element einzustufen, welches mit dem Kompositkapitell in Verbindung steht. Ob hier ehemals eine Inschrift vorhanden war, lässt sich nicht mehr feststellen.

Das bedeutet, dass die „Mariensäule“ eigentlich noch aus der Barockzeit stammt, wobei die ursprünglich aufgesetzte Figur verloren ist. Wahrscheinlich war hier ehemals eine barocke Maria Immaculata-Statue aufgesetzt, ähnlich wie bei der Säule in Herzogenburg.

Zum Typus einer Maria Immaculata
Beim Typus einer so genannten „Maria Immaculata“ steht Maria auf dem Erdball, eine Schlange zertretend, ihr Haupt ist zumeist von einem Sternenkranz gekrönt. In der Regel ist sie ohne Kind dargestellt. Dieser Typus hat sich im 17. und 18. Jahrhundert aus der spätmittelalterlichen „Maria auf der Mondsichel“ entwickelt. 

In der römisch-katholischen Kirche wird das Hochfest derunbefleckten, ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria („Sollemnitas In Conceptione Immaculata Beatae Mariae Virginis“) am 8. Dezember gefeiert. Im deutschen Festkalender heißt das Fest auch „Mariä Erwählung“. 1708 wurde die Feier dieses Festes von Papst Clemens XI. für die ganze katholische Kirche vorgeschrieben. Viele Maria Immaculata-Statuen stammen gerade aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
1854 wurde durch Papst Pius IX. das Dogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens ausgerufen.

Zur heutigen Marienfigur mit Kind
Die heutige Marienstatue mit Kind – die nicht dem Typus einer Maria Immaculata folgt – wurde laut dem nordseitig eingemeißelten Datum „MDCCCLXXXII“ im Jahr 1882 auf den barocken Pfeilerschaft samt Kapitell aufgesetzt. 

Die Muttergottes von Jois steht ebenso auf dem Erdball, ihr Fuß auf dem Kopf der Schlange, anstelle des Sternenkranzes ist sie jedoch mit einer Krone gekrönt. Vor ihrer Brust hält sie das Jesuskind in ihren Armen, das seine Hände weit ausgestreckt hat. Die heutige Marienstatue von Jois verbindet in ihrer Haltung den Bildtypus einer „Trösterin der Betrübten“ oder so genannten „Consolatrix afflictorum“, d.h. einer gekrönten Muttergottes mit Kind mit einer auf der Erdkugel stehenden Maria Immaculata.

Maria – Trösterin der Betrübten / Südseitige Sockelfront
Den Hinweis auf Mariens Bedeutung als eine „Trösterin der Betrübten“ gibt die Inschrift auf der südseitigen, d.h. vorderen und damit prominenten Sockelfront. Hier ist zu lesen: „Oh Maria / Du allerzeit unbefleckte / allerseligste Jungfrau / und Mutter Gottes / Du Trösterin der Betrübten / und Helferin der Christen / bitt für uns“. 

Trösterin der Betrübten ist die deutsche Übersetzung des Titels „Consolatrix afflictorum“, so wie Maria als Mutter Jesu neben vielen anderen Titeln in der Lauretanischen Litanei genannt wird. Ikonographisch ist die „Consolatrix“daher eine Maria mit dem Kind, deren meist wundertätigen Statuen und Gnadenbilder mit der Lauretanischen Trösterin in Verbindung gebracht wurden (Maria steht dabei nicht immer auf der Mondsichel oder einem Erdball).

Bekannte Wallfahrtsorte und -kirchen sind Unserer Lieben Frau von Luxemburg (seit 1624) bzw. – in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, der Gegenreformation bzw. der Rekatholisierung von Luxemburg ausgehend – Kevelaer am Niederrhein (seit 1642) und Werl in Westfalen (seit 1661),  Maria Plain bei Salzburg (Beginn des 17. Jahrhunderts), Mariatrost bei Graz sowie das Santuario di Maria Consolatrice (La Consolata) zu Mailand (unklare Anfänge, erbaut 1678).

Wo liegen die zeitlich unmittelbaren Vorbilder?
Die Anrufungen Mariens als „Trösterin der Betrübten“ und „Helferin der Christen“ (in derselben der Kombination wie auf dem Inschriftensockel der Mariensäule von Jois) finden sich häufig in Gebets- und Liederbüchern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die auch entsprechend illustriert wurden. 

Ostseitige Sockelfront
Hier ist folgende Inschrift zu lesen: „Groß ist unsrer Feinde Zahl / Hier in diesem Thränental / Rette Mutter Deine Kinder / Vor dem Sündenfall“. 

Dies ist der exakte Wortlaut eines Gesanges, der zur Zeit der Errichtung der Mariensäule an Mutter Gottes-Festen gesungen wurde und wie man ihn in Gesangs- und Gebetsbüchern aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts findet. So wurde dieses Lied z.B. als Abschlusslied an Maria nach erfolgreicher Wallfahrt von Wien nach Mariazell und wieder zurück nach dem Hochamt in St. Stephan in Wien gesungen.

Westseitige Sockelfront
Hier ist folgende Inschrift zu lesen: „Wie ruht auf Deinen Armen / Oh Mutter voll Erbarmen / Dein Jesus sanft und mild / Hier in diesem Bild“.

Hierbei handelt es sich um den Wortlaut eines geistlichen Volksliedes, wie es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gerne auch in Schulen gesungen wurde.

Der Künstler der Marienfigur
Der Künstler und Steinmetz der Marienfigur hat sich am südseitigen Fundament des Sockels verewigt. Hier ist zu lesen: „David Hafner // Neusiedl a. See“.

David Hafner war Steinmetz und der Schwiegersohn des Neusiedler Baumeisters und Steinmetz Jakob Schaffrian (1822-1876). Von David Hafner stammen etwa die bildhauerischen Arbeiten und Reliefs der Kreuzwegstationen am Kalvarienberg von Neusiedl am See. Bis zum Tod seines Schwiegervaters arbeitete er im familiären Steinmetzbetrieb mit. Die Säule dürfte ein frühes selbständiges Werk Hafners sein. 

Letzte Restaurierung
Die jüngste Restaurierung der Mariensäule durch den Restaurator Mag. Franz Gyolcs wurde 2019 über die Gemeinde Jois finanziert.

Literatur
Franz Hillinger (Autor und Herausgeber), Jois – Geschichte der Pfarre, Jois 2021, S. 182-183

Franz Hillinger, Jois – Bausteine zur Geschichte, Jois 2005, S. 130-131

Adelheid Schmeller-Kitt, Die Kunstdenkmäler Österreichs: topographisches Denkmälerinventar: Burgenland, hg. vom Bundesdenkmalamt, Wien 1980, S. 378

Nr. 47
Errichtet
um 1700 bzw. 1882
Renovierungen
1961 und 2019
Künstler
Steinmetz D. Hafner (1882)
Eigentümer
Marktgemeinde Jois