Der Hotterstein im Innenhof des Gemeindeamts
Grenzstein von 1731
Zur historischen Bedeutung von Hottersteinen
Der Name “Hotter” leitet sich aus dem Ungarischen „határ“ = Grenze ab und bezeichnet umgangssprachlich das gesamte Gemeindegebiet der politischen Gemeindeverwaltung. In der Zeit der ersten Jahrtausendwende wurden die Grenzen zwischen den benachbarten Dorfgemeinschaften durch Waldschneisen, Bachläufe, Gräben, Steinanhäufungen oder bewusst gepflanzte Bäume, sogenannte „Markbäume“, gekennzeichnet.
Es kam immer wieder zu Streitigkeiten zwischen benachbarten Dörfern in Bezug auf den Grenzverlauf. Anlass dafür waren zumeist die besonders fruchtbaren Böden, die zur Nachbargemeinde gehörten. Daher ging man dazu über, die Grenzverläufe durch Erdwälle und große kunstvoll gestaltete Hottersteine zu markieren.
Was bedeuten die Buchstaben und Zahlen?
Die Initialen der Anrainergemeinde sowie die Jahreszahl der Steinsetzung wurden direkt in den Stein eingemeißelt. Die Zeichen wurden immer an der Seite des Steines hergestellt, an der die Grenzlinie des Hottergebietes lag.
Auch am Steinfuß, welcher im Erdreich vergraben war, wurden die Initialen der jeweiligen Gemeinde und manchmal auch die Jahreszahl in vereinfachter Form angebracht. Dies diente dazu, dass bei mutwilliger Beschädigung des Steines aus der Lage des Steinfundamentes immer noch der tatsächliche Grenzverlauf erkennbar war.
Die Steinsetzungen erfolgten meist im Zuge von Kommissionen, welche aus Vertretern der jeweiligen Gemeinde sowie Vertretern der Grundherrschaft bestanden. Es wurde eine Niederschrift abgefasst, auf der alle Vertreter der entsprechenden Kommission unterfertigten.
Folgende Initialen sind an den Hottersteinen von Jois sichtbar:
N oder auch NS – für Neusiedl am See
B oder SP – für Bruck an der Leitha bzw. Stadt Prugg
P – für Parndorf
W – für Winden
G – für Geos = eine der alten Schreibformen von Jois
Welche Funktion hatte der Hotterstein von 1731?
Aus den vorgenannten Ausführungen ist zu folgern, dass der im Innenhof des Gemeindeamts aufgestellte Hotterstein die Grenze zwischen Geos (alte Bezeichnung für Jois) und Neusiedl am See markierte und 1731 errichtet wurde.
Die ursprüngliche Lage des Hottersteines ist heute nicht mehr feststellbar. Im Fotoarchiv des Museums Jois ist ein Foto dieses Hottersteines um 1970 vorhanden, welcher mit dem römischen Mörser in der Grünfläche am Hauptplatz lagert. Nach Rücksprache mit dem damaligen Bürgermeister Georg Hoffmann wurde dieser Hotterstein in der Ried Strassäcker gefunden. Vermutlich wurde dieser Grenzstein nach einer Grundstückstransaktion von den neuen Besitzern ausgegraben und auf Joiser Grund abgelegt. Nach dem „Fund“ des Hottersteines wurde dieser von den Gemeindearbeitern nach Jois transportiert und am Hauptplatz zwischengelagert. In weiterer Folge wurde das Fundstück in die Sammlung des Museums Jois eingebracht.
Im Sockelbereich, der ursprünglich im Erdreich vergraben war, ist heute das einfache G (für Geos) sichtbar, das ehemals zur Grenzabsicherung diente.
Was versteht man unter einem „Hottergang“?
Zu den besonderen Eigentümlichkeiten im Zusammenhang mit Hottersteinen zählt der so genannte „Hottergang“ oder die „Hotterbegehung“. Was aber ist damit gemeint und zu welchem Zweck wurde dieser bzw. diese durchgeführt?
Nachstehende Auszüge geben Auskunft zum Ablauf einer solchen Hotterbegehung [entnommen aus: Leopold Schmidt, Aus der Arbeit am Atlas der burgenländischen Volkskunde (Burgenländische Heimatblätter 23), 1961, S. 63]:
Was ist eine „Hotterwatschen“?
An der Oberseite der Hottersteine war eine kleine Mulde ausgeformt, deren Anbringung von vorchristlichen, insbesondere keltischen Bräuchen abgeleitet wird. Die Kelten brachten in solchen Steinmulden ihren Göttern Trankopfer dar. In abgewandelter Form wird dieser Brauch bei der Hotterbegehung in Form der Austeilung einer so genannten „Hotterwatschen“ weitergepflegt.
Eine „Hotterwatschen“ wurde traditionellerweise im Zuge der oben beschriebenen Grenzbegehungen ausgeteilt. Dabei wurde Wein in die Mulde des Steins gefüllt, den die jungen Bewohner der Gemeinde Jois austrinken sollten. Während sie dies aber in vorgebeugter Haltung taten, wurde ihnen von hinten ein ordentlicher Tritt in den Hintern erteilt, die so genannte „Hotterwatschen“.
An welchem Tag fanden die „Hotterbegehungen“ in Jois statt?
Eine Antwort darauf gibt erneut eine Stelle aus der Arbeit am Atlas der Burgenländischen Volkskunde [siehe Leopold Schmidt, Aus der Arbeit am Atlas der burgenländischen Volkskunde (Burgenländische Heimatblätter 23), 1961, S. 63]:
Ob in Jois die Hotterbegehungen tatsächlich am Georgs- oder Georgitag stattfanden, kann nicht bestätigt werden. Der Georgstag wird in Jois seit alters her am 24. April gefeiert, der zugleich der Tag des Patroziniums der Pfarrkirche ist. An diesem Tag wurde zunächst der Gottesdienst besucht und anschließend der Kirtag begangen. Auch der Krämermarkt fand an diesem Tag statt und nachmittags wurden die Wirtshäuser besucht.
Über die Kombination aus der „Hotterwatschen“, die zum einen schmerzvoll war, und dem gleichzeitigen Weintrinken, das zum anderen als angenehm empfunden wurde, sollte den jungen Mitbewohnern von Jois auf gewissermaßen originelle Art und Weise ein Bewusstsein für den Grenzverlauf der Gemeinde vermittelt oder man könnte sagen „eingebläut“ werden.
Die Schwarz/Weiß-Fotos stammen aus der Sammlung des Museums Jois und zeigen diverse Hottersteine.
Rätselrally:
Wann wurde dieser Hotterstein errichtet?
Warum wurden Hottersteine generell errichtet?
Zu welcher Nachbargemeinde war dieser Hotterstein ursprünglich positioniert?
Was ist eine Hotterbegehung?
Was ist eine „Hotterwatschen“ und warum und an wen wurde diese ausgeteilt?