Schanzweg – Wehranlagen der Wehrkirche

Wehranlage und Kruzitürken!

Kriegsgefahren – Kruzitürken!
Über die frühen Kriegsgeschehnisse gibt es nur wenige schriftliche Quellen. Bereits im 14. Jahrhundert drängten die Osmanen in Richtung Westen. 1526 wurde dem ungarischen Heer eine verheerende Niederlage durch die Osmanen zugefügt. Diese Niederlage führte in weiterer Folge zur ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahre 1529 durch Sultan Süleyman. Sowohl beim Zug nach Wien, nachdem Ofen (das heutige Budapest) eingenommen wurde, als auch bei der Rückkehr ins osmanische Reich wurde Jois von den Türken heimgesucht. Aufgrund der geografischen Lage ist davon auszugehen, dass bei jedem größeren Feldzug von Ost nach West von Osten nach Westen Jois in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Im Jahr 1683 folgte die zweite Türkenbelagerung von Wien durch Großwesir Kara Mustafa. Auch für diese Zeit sind Kriegsgeschehnisse in und um Jois historisch belegt.

In den Jahren von 1670 bis 1711 erfolgte gleichzeitig ein Aufstand von ungarischen Adeligen gegen die Habsburger. Der Aufstand von Franz II. Rákóczi war 1703 bis 1711 der letzte aus einer Serie von antihabsburgischen Aufständen und zugleich der letzte sogenannte Kuruzenaufstand, welcher in Jois und Umgebung zu erheblichen Verwüstungen geführt hat. Der Fluch „Kruzitürken!“, zum Ausdruck des Zorns über eine unerfreuliche Entwicklung, entstand als Zusammenziehung von „Kuruzen und Türken!“. Die Bezeichnung des Ortsteils “Krotzen” – südlich der Bahntrasse – stammt vermutlich ebenfalls aus dieser Zeit, da hier die Kuruzen ihr Lager aufgeschlagen hatten.

Baugeschichte – Funktionsweise
Die direkt hinter der Stadlreihe des historischen Dorfgefüges liegende Wegeführung wird als Sätzgasse bezeichnet. Es kann nur vermutet werden, dass die Namensgebung mit der Aussaat – umgangssprachlich “setzn” oder einer anderen landwirtschaftlichen Tätigkeit in Verbindung steht, da hier im Hintausbereich der Wohnhäuser die Nutzfelder zur Ernährung der Bewohner lagen. 

Die nördlichere Wegeführung am Ried Kirchberg, vom westlich gelegenen Hauptplatz zur östlich gelegenen Josef-Haydngasse, wurde seit jeher  als Schanzweg bezeichnet. Die heutigen Benennungen lauten für den östlichen Teil “Unterer Kirchberg” und für den westlichen Teil “Kirchbergweg”. 

Definition des Wortes Schanze, lt. Wikipedia-Abfrage vom 02.02.2022:

Das Wort „Schanze“ leitet sich ursprünglich von Reisigbündel her, da im späten Mittelalter bei Belagerungen häufig provisorische Befestigungsanlagen aus Schanzkörben errichtet worden sind. Später wurden solche Schanzen sehr häufig aus Erdwällen errichtet. Daher wurde im 16. Jahrhundert das Wort „schanzen“ ganz allgemein auf Erdarbeiten jeder Art übertragen. Der militärische Sprachgebrauch benutzt heute noch schanzen für kleinere Erdarbeiten, vor allem für die Anlage von Schützengräben. Aus diesem bereits übertragenen Sprachgebrauch stammt schließlich auch der Ausdruck „sich verschanzen“ im erweiterten, übertragenen Sinne: z.B. „sich hinter Paragrafen verschanzen“.

Auffallend ist, dass dieser historische Weg annähernd geradlinig verläuft und an der Südseite von einer Trockensteinmauer gestützt wird. Der Höhenunterschied von der Wegebene zum tiefer liegenden Niveau beträgt je nach Topographie zwischen 1 m und bis zu 3 m. 

Im Westen beginnt der Verlauf des Weges am nördlichen Ende des Hauptplatzes – der den Beginn der historischen Siedlungstätigkeit markiert – und sicherte so eine rasche Fluchtmöglichkeit zu den Wehranlagen der mittelalterlichen Pfarrkirche am Berghang. 

Entlang der Wegeführung ist die Trockensteinmauer teilweise noch erkennbar. Am südlichen Ende des Wegeverlaufes ist eine wallartige Erdanhäufung sichtbar. Dieser Wall könnte mit der ursprünglich militärischen Nutzung in Verbindung stehen. Gleichzeitig könnte es sich lediglich um eine Anhäufung von Steinen bzw. biogenen Abfällen der ehemaligen landwirtschaftlichen Flächen handeln. Archäologische Untersuchungen könnten hier Aufschluss bringen. 

Die nördlich gelegene Pfarrkirche ist mitsamt dem alten Friedhof von einer Steinmauer eingefriedet – siehe dazu auch Station Nr. 3. Die Bezeichnung Friedhof leitet sich vom eingefriedeten Bereich rund um die Kirche ab.

In den kriegerischen Zeiten war es durchaus vorstellbar, dass sich die Bewohner von Jois in den Friedhof bzw. in die mittelalterliche Wehrkirche zur Verteidigung zurückzogen. Von dieser erhöht liegenden Fläche konnte die damals unbebaute Fläche rings um die Pfarrkirche leicht überwacht und verteidigt werden.

Die Funktionsweise der städtebaulichen Wehranlagen einer Stadtmauer und dem freien Vorfeld ist in Jois vorhanden. Im Fall von Jois erfüllt die Einfriedungsmauer des Friedhofes die “Stadtmauer” zur Verteidigung des inneren Ringes. Vermutlich war die Höhe der Einfriedungswand bergeseitig ursprünglich höher, um eine bessere Verteidigung zu gewährleisten. Im Laufe der Zeit hat die Mauer an Höhe verloren, vermutlich aus Kostengründen der laufenden Instandhaltung.Südseitig sind jedoch immer noch Mauerhöhen von ca. 3 m bis 5 m zu erkennen. Das freie Vorfeld war durch die landwirtschaftlichen Nutzflächen gegeben. Der südseitige Schanzverlauf diente in Kriegszeiten der Verteidigung. In Friedenszeiten war die “befestigte” Wegeführung für die landwirtschaftlichen Transporte von großem Nutzen.

Die freie, unbebaute Fläche östlich, südlich und westlich der Pfarrkirche war bis zur Jahrtausendwende gut erkennbar. Im östlichen Bereich erfolgte Anfang des 21. Jahrhunderts die Bebauung der freien Fläche.

Vom Standort der Pfarrkirche aus kann die pannonische Tiefebene sehr gut überblickt werden. Der Neusiedlersee wirkt als natürliche Barriere gegen Süden. Von der Südseite waren keine direkten Angriffe zu erwarten. Gleichzeitig konnte in der Ferne das Herannahen feindlicher Truppen zeitgerecht erkannt werden. Meist folgten den Eroberungen Plünderungen und Brandschatzungen, so dass die Auswirkungen dieser aus weiter Ferne bereits erkennbar waren. Aufgrund der natürlichen Hanglage und des Höhenunterschiedes des Schanzweges waren die Verteidiger in einer strategisch besseren Situation als die feindlichen Angreifer, welche sich bergauf und schutzlos vorwärts kämpfen mussten.

Die von Neusiedl am See bis nach Petronell an der Donau verlaufende Türken- bzw. Kuruzenschanze wurde 1703 bis 1704 errichtet. Dieser Schanzverlauf, oder zumindest der Beginn in Neusiedl am See beim Tabor, konnte vom Standpunkt der Pfarrkirche aus gut überwacht werden. 

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Rätselrally:

Was bedeutet „Kruzitürken“?